Amüsant-schaurige Gruselcomics für zwischendurch
Wer, wie ich, gerne im Zeitschriftengeschäft stöbert, findet dabei manchmal unerwartete Perlen. In diesem Fall war das für mich der 36-Seiten starke, vollfarbige Comic Horrorschocker #73 im A5-Format. In gewisser Hinsicht und im besten Sinne ist die Horrorschocker-Reihe der Groschenroman der Comicwelt. Die aktuelle Ausgabe enthält drei kurze, aber äußerst charmante Schauercomics.
Doch zunächst ein paar Worte zu Horrorschocker und dem Verlag dahinter. Für Fans deutscher Comics dürfte der Kleinverlag ein bekannter Name sein: Weissblech Comics verlegt seit 1992 mehrere abseitige Serien und Einzeltitel, orientiert sich dabei stets am Flair der alten amerikanischen Pulp-Comics. Weissblech-Erfinder Levin Kurio passt das Portfolio immer wieder an, erweitert und modernisiert es – und bleibt dabei jedoch dem ursprünglichen Gedanken stets treu. Das merkt man auch Ausgabe #73 von Horrorschocker an.
Lost Place
In einem opulenten, längst verfallenen Anwesen haust ein Gärtner. Die ursprünglichen Besitzer sind lange verstorben. In diesem Lost Place geht der Gärtner, so gut es geht, seiner Arbeit weiter nach. Er pflegt die Gärten, wässert die Pflanzen und lebt von den langsam schwindenden Vorräten. Seinem täglichen Trott folgt er resigniert, denn er kennt schlicht keine Alternative und fürchtet die ihm inzwischen fremde Außenwelt. Doch die Nächte sind grauenvoll, denn sobald es dunkel wird, wandelt eine angsteinflößende Geistererscheinung über das Gelände.
Text und Zeichnungen zu “Lost Place” stammen von Levin Kurio. Mit kräftigen Farben setzt Kurio sein Sujet in Szene und erzeugt so die nötige Atmosphäre. Die Wechsel zwischen trostlosem Tag und schrecklicher Nacht werden bereits durch die Farbgebung deutlich. Für einen Comic unüblich ist, dass die Erzählung an sich auch ohne Bilder als Kurzgeschichte funktionieren würde. Der Comic kommt fast gänzlich ohne Sprech- oder Denkblasen aus und legt den Fokus stattdessen auf beschreibende Captions, die aneinandergereiht eine flüssige Narration ergeben. Dadurch werden die detaillreichen Bilder in “Lost Place” vor allem zu einem Mittel, um das ruhige Erzähltempo und die bedrückende Stimmung zu kontrollieren.
Klopf auf Holz
Giada Agosti ist Kunsttischlerin. Als solche kauft sie alte Holzmöbel und verwertet diese in eigenen Kunstprojekten. Doch als sie eines Tages einen wuchtigen Schrank kauft, kommt es kurz darauf zu einem grausamen Todesfall. Glücklicherweise weiß Giada, wie sie dem Mysterium auf die Spur kommen kann.
“Klopf auf Holz” (Text und Vorzeichnungen von Lina Leihkam; Reinzeichnungen von Michael Musal; Farben von Lina Leihkam und Nina Beier) ist eine niedliche Erzählung, die mit dem Fantasy-Genre kokettiert. Ein buchstäblicher “Horrorschocker” ist diese Erzählung nicht, aber allein schon für die überaus feinen und detaillreichen Zeichnungen lohnt sich die Lektüre.
Monstergeschichte
Irgendwann in der Antike zieht König Arestoklos mit einer Armee aus, um die Herrscherin der Schwarzen Insel zu bezwingen. Bereits der Weg zur Herrscherin ist von zahlreichen Verlusten geprägt: Mehrere Galeeren erleiden auf hoher See Schiffbruch, wilde Zentauren und andere monströse Kreaturen lauern auf der Schwarzen Insel und auch die Herrscherin selbst ist eine formidable Gegnerin.
Text und Zeichnungen zu “Monstergeschichte” stammen aus der Feder von Mario Öller, die Kolorierung von Levin Kurio. Der Comic ist eine offensichtliche Hommage an die Abenteuererzählungen von Robert E. Howard, allen voran seinen Geschichten um den Cimmerier Conan. Beiläufig wird in “Monstergeschichte” eine Schwarze Küste erwähnt – Conan-Fans dürften sich sofort an die Howard-Erzählung “Die Königin der schwarzen Küste” erinnert fühlen. Auch die Gestalt der Herrscherin scheint direkt aus Howards Welt entlehnt, denn sie ist, im Grunde genommen, ein Schlangenmensch, wie sie schon bei König Kull vorkommen. Alles in allem viel Augengezwinkere mit einem ebenso humorvollen Ende.
Factsheet: Horrorschocker #73
Erscheinungsdatum: August 2024
Beteiligte: Levin Kurio, Rainer F. Engel, Lina Leihkam,Michael Musal, Nina Beier, Mario Öller
Seiten: 36
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